Bobi
Die wichtigste Mitarbeiterin des Fotografen Leonard von Matt Leonard von Matt war von 1950 bis Mitte der 1970er Jahre einer der erfolgreichsten Schweizer Fotografen. Bekannt wurde er mit Fotobüchern zu Kunst und Architektur aber auch mit Bildbiographien über grosse Heilige. Für sein Schaffen wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 1974 mit dem Johann Melchior Wyrsch-Preis der Schindler Kulturstiftung und 1976 mit dem Innerschweizer Kulturpreis. Doch sein grosses und bedeutendes Werk wäre vermutlich nie zu Stande gekommen, hätte er sich im Oktober 1934 nicht in Bobi, Brigitte Hartmann-Lehmann verliebt. Die grosse Liebe, welche die beiden verband, gab ihm den Mut, seine schon lang gehegte «Wunschvorstellung», ein Leben als Künstler und freier Fotograf, in die Tat umzusetzen. Bobi ermutigte ihn, den erlernten Beruf an den Nagel zu hängen: «Ich glaube an Dich Lieni und bin ganz sicher Du gehst den richtigen Weg und wenn ich ihn ganz mit Dir gehen könnte, dann wäre mein Glück vollkommen.», schrieb sie im Herbst 1935, ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung.
Doch der Weg zu diesem vollkommenen Glück war nicht einfach. Noch war Bobi verheiratet und Leonard von Matt Mitbesitzer der Buchhandlung und des über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannten theologischen Antiquariats von Matt in Stans. Aber die Liebe und der Wunsch nach einem gemeinsamen Leben liess sie alle Hindernisse überwinden. Leonard von Matt verkaufte 1937 seinen Anteil am Familienunternehmen an den Bruder Josef, zahlte die Scheidungskosten für Bobi, kaufte auf dem Ennerberg ein altes Bauernhaus und heiratete Bobi im September 1937. Von nun an lebten und arbeiteten die beiden zusammen, Seite an Seite, 50 Jahre lang. Bobi war Lienis Assistentin und engste Mitarbeiterin, sie begleitete ihn zu allen Fototerminen, auf allen Reisen, war Beleuchterin und für die Produktion des Fotomaterials im Labor verantwortlich, entwickelte und kopierte sowohl unterwegs wie auch zu Hause auf dem Ennerberg und archivierte das gesamte Material.
Auch als die Tochter Madeleine zur Welt kam, änderte sich daran nichts . Bobi lebte ein für die damalige Zeit vollkommen ungewöhnliches Familienmodell. Madeleine verbrachte die Wochen und Monate, während ihre Eltern im Ausland arbeiteten, bei Verwandten und Freunden. Nach ihrer Schulzeit wurde auch sie Teil des Familienunternehmens und übernahm später nach und nach alle Aufgaben der Mutter.
Leonard von Matt verschwieg die Mitarbeit von Frau und Tochter nie. Ganz im Gegenteil. Er war sich bewusst, dass er sein umfangreiches, grosses Werk nie hätte allein erschaffen können. Bei jeder Gelegenheit, bei jedem Gespräch, in jedem Interview, in jeder Rede erwähnte er die beiden, dankte ihnen und wies auf ihre grosse Bedeutung für seine Arbeit hin. Doch seine Bücher erschienen ausschliesslich unter seinem Namen. Das störte ihn nicht, genauso wenig die beiden Frauen. Der Maestro war Leonard von Matt.
«Bobi war eine aussergewöhliche und spezielle Frau», sagt Madeleine Kaiser-von Matt über ihre Mutter. Und für Professor Peter von Matt war Tante Bobi in seiner Schulbubenzeit die Frau, die stets «so wunderbar duftete». Wenn er sich heute an sie erinnert, so erscheint sie ihm wie «ein Wesen aus den Roaring Twenties».
Im Gespräch mit der Kunsthistorikerin Janine Schmutz erzählt Madeleine Kaiser-von Matt am 19. September 2018 im Nidwaldner Museum aus dem Leben dieser unabhängigen und unkonventionellen Frau. Sie erzählt aber auch davon, wie sie bis zu ihrer Hochzeit mit den Eltern umherreiste und zusammenarbeitete. Als Madeleine Kaiser-von Matt 1971 schliesslich heiratete, legte Leonard von Matt seine Kamera nieder und beendete seine Karriere.